4. Kapitel

Die Lande Everstein und Homburg nach dem Übergang

An das welfische Landesfürstentum.

§ 1: Zur Geschichte der Teilungen.

Mit dem Erwerb der Territorien Everstein und Homburg war dem mittleren Hause Lüneburg ein so bedeutender Macht- und Gebietszuwachs zu teil geworden, dass die beiden Brüder Herzog Bernhard und Herzog Heinrich (von der Heise) bereits 1409 zu einer Teilung schritten. Hierbei gingen indessen die gesamten Neuerworbenen Landesteile in den Anteil des Herzogs Bernhard über, dessen Sohn Otto als Gemahl der jungen Elisabeth der eigentliche Anerbe der eversteiner Besitzungen war. Schon 1414 versetzten diese beiden Herzöge  G r e e n e,  L ü e t h o r s t und H o h e n b ü c h e n  dem H o c h s t i f t  H i l d e s h e i m 1), brachten aber, wie es scheint, 1416 das bisher von der Linie Grubenhagen innegehabte Haus Everstein 2) und durch die „Spiegelberger Fehde“ die versetzten Schlösse Grohnde und Ohsen an sich3). 1428 erfolgte eine neue Erbteilung, wobei nun auch die ehemaligen Herrschaften Everstein und Homburg ohne Rücksicht auf ihre bisherige Abgrenzung in zwei Anteile zerlegt wurden, während die Anrechte an den grubenhäger Pfandschaften Hameln und Everstein gemeinschaftlicher Besitz blieben. Der eine Anteil, der die Häuser Homburg, Ohsen, Holzminden, Polle, Ottenstein, die an Hildesheim versetzten Ämter Greene, Lüethorst und Hohenbüchen sowie alle homburger Lehen umfasste, fiel dem Herzog Wilhelm aus dem mittleren Haus  B r a u n s c h w e i g  zu; den Rest, bestehend aus den Ämtern Lauenstein, Grohnde, Ärzen, der Stadt Bodenwerder und den eversteiner Lehen, behielt Herzog Bernhard von L ü n e b u r g.

Dieser verpfändete 4) im Jahre 1433 ohne die erforderliche Einwilligung des Gesamthauses seinen genannten Anteil, sowie seine Hälfte von Hameln, Everstein und der Vogtei auf der Hamel, für die bedeutende Summe von 30 000 Goldgulden dem H o c h s t i f t  H i l d e s h e i m, das trotz des von Herzog Wilhelm erwirkten kaiserlichen Einspruchs sofort davon Besitz ergriff, und außerdem noch ein Pfandbesitz von Greene, Lüethorst und Hohenbüchen, den größten Teil des entgangenen homburg-eversteinischen Erbes tatsächlich in die Hand bekam. Die Linie Braunschweig begnügte sich demgegenüber nicht mit ihrem Einspruch gegen die angeblich rechtswidrige Verpfändung, sondern erreichte auch 1442 von Hildesheim die vertragliche Anerkennung 5), für das Haus Lüneburg zur Einlösung berechtigt zu sein. 1451 erwarben die Braunschweiger außerdem noch in dem von Nikolaus von Kues vermittelten oft berufen „Kardinalsvertrage“ 6) das Recht, Greene, Lüethorst und Hohenbüchen, die 1421/6 durch Verkauf aus der Leibzucht Schonettas von Homburg in das Eigentum des Stifts übergegangen waren 7), zurückzukaufen. Trotzdem ließen die Bischöfe es nicht an Versuchen fehlen, ihre Stellung in den Landen Everstein und Homburg noch weiter zu verstärken.

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 1) Lüntzel, Gesch. der Diözese Hildesheim II S. 387.

 2) Spilcker, 476.  UB. Stadt Hildesheim  VI S. 15.

 3) 1421 – Vat. Arch. Nr. 4 (1823) S. 274. – Lüneburger Chronik (Leibnitii Script. reram Brunsv. III S. 201: ok beholden se (die Fürsten) Osen unde Grone vor de fengnisse des olden van Spiegelberge. Die Erbteilungsverträge bei Erath. Von Erbteilungen usw. Die homburger und eversteiner Lehen wurden 1502 nach ihrer Belegenheit auf die Lande Calenberg und Wolfenbüttel verteilt. (Cal. Br. Arch. Des. 1i G. 2a) Kopialbuch X. 7.

 4) Original des Pfandbriefs St. A. Hannover Cal. Or. Arch. Des. 31 Homburg Nr. 59.

 5) St. A. Hannover, Calenberger Hausverträge Nr. 23.

 6) St. A. Hannover, Domstift Hildesheim Nr. 1728a.

 7) RHo. 428, 430.

Sie brachten 1447 1) durch korte veyde 2) die Homburg in ihre Gewalt, wurden aber bald wieder daraus vertrieben 3); auch ihr Anrecht auf Everstein haben sie zu keiner Zeit durchsetzen können. Immerhin kam in den verpfändeten Gebieten die jahrzehntelange Stiftsherrschaft – auch im Rechtsempfinden der Untertanen – einer völligen Entfremdung von den welfischen Herzögen gleich.

Bei der 1495 im mittleren Haus Braunschweig vorgenommenen Erbteilung zwischen den Söhnen Wilhelms d. J. wurden die homburg-eversteinischen Gesamtlande in dem Verhältnis geteilt, das seither mit geringen Änderungen für die Verteilung zwischen  Braunschweig  und

  1) Lippische Regesten III, 2524.

 2) . . . mit korter veyde overfallen unde Oldendorppiunde Homborch mit wunderliker handelinge     aff gewunnen hefft unde denket dat to beholden . . .,Urkunde im St. A. Hannover, Cal. Or. Arch. Des. 31 Homburg Nr. 63.

 3) Berichte über die interessante Episode UB. der Stadt Göttingen II, S. 196 – 202. V. d. Ropp, Hanseretesse, III. Nr. 331 § 2 UB. Stadt Hildesheim IV. 664.

Hannover maßgebend geblieben ist. Es erhielt Herzog Erich d. Ä. für das Land Calenberg zunächst den seinem Hause zustehenden Anspruch auf die Rücklöse der Lüneburger Pfandstücke, d. h. die Ämter Lauenstein, Grohnde, Ärzen-Hämelschenburg und die Stadt Bodenwerder; ferner das Amt Polle und die an Spiegelberg-Pyrmont verpfändeten Häuser Ottenstein und Ohsen. Herzog Heinrich d. Ä. von W o l f e b ü t t e l  bekam dagegen Homburg, Everstein-Forst, Holzminden, auch Fürstenberg, außerdem aber die drei hildesheimer Häuser Greene, Lüethorst und Hohenbüchen, die er auch schon 1496 durch Rückkauf an sich brachte 4).

Alsbald machten auch die beiden Brüder den Versuch, auf Grund des Vertrages von 1442 die Einlösung der großen lünebürger Pfandschaft  zu  erreichen.  Ihre 1498   erfolgte  Aufkündi-

gung 5) führte jedoch nicht zum Ziel, da die zu Peine gepflogenen Verhandlungen sich zerschlugen, angeblich weil Heinrich der Mittlere aus der Lüneburger Linie seine Unterstützung versagte 6). Dieser beanspruchte nämlich nach wie vor das alleinige Anrecht an den von seinem Hause versetzten Ämtern und nahm 1513 von Hildesheim aufs neue 15 000 Goldgulden darauf auf 7). Inzwischen hatte der tätige Herzog Heinrich der Jüngere im Jahre 1516 Ottenstein an sich gebracht, obwohl es zu Erichs Teil gelegt war, indem er die Pfandinhaber, die Grafen von Pyrmont-Spiegelberg, in etwas gewaltsamer Weise abfand 8).

In der Stiftsfehde (1519 – 1522) gelangten dann die verwickelten Fragen der großen Lüneburger Pfandschaft zum blutigen Austrag. Im Quedlinburger Rezess (1523) leistete das Domkapital ohne Zustimmung des Bischofs auf die 1433 versetzten Landesteile entschädigungslos Verzicht. Diese wurden dann, unter gänzlicher Überdehnung der Linie Lüneburg, nach den Bestimmungen des Erbvertrages von 1495 in den calenberger Anteil überführt.

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 4) St. A. Hannover, Celler Or. Arch. Nr. 772 – 774. Des. 8.

 5) St. A. Hannover, Cal. Or. Arch. Des. 31 Homburg Nr. 77. 78.

 6) Nachrichten darüber unter den Prozessakten Cal. Br. Arch. Des. 1i A. 4.

 7) St. A. Hannover, Cal. Or. Arch. Des. 31 Homburg Nr. 80.

 8) St. A. Hannover, Cal. Br. Arch. Des. 1 n A 1.

Nun machte das Haus Lüneburg seine älteren Ansprüche geltend. 1533 verhandelte man ohne Erfolg zu Alfeld und Braunschweig 1); 1566 trugen die Lüneburger zur Wahrung ihrer Rechte die von Heinrich dem Mittleren 1513 neu aufgenommenen 15 000 Gulden an das Stift Hildesheim ab 2) und suchten mit diesem auch während des 1581 angestrengten Reichskammergerichtsprozesses 3) Fühlung zu nehmen. Als Hildesheim jedoch 1627 auf Grund der alten homburger Urkunden Eigentumsrechte an dem strittigen Pfandobjekt geltend machte, spitzte sich der gantz schwere harte alte Fall Braunschweig contra Braunschweig (seit 1584 waren die calenbergischen, seit 1596 auch die grubenhagenschen Anteile in der Hand Wolfenbüttels vereinigt) immer mehr auf eine letzte Machtprobe zwischen den Welfenherzögen und der hildesheimer Kirche zu. 1629 sprach das Reichskammergericht auf Grund des Restitutionsedikts die „Remission“ des Stiftes in seinen alten Besitzstand einschließlich der Pfandschaften aus; ligistische Truppen als die derzeitigen Herren im Lande ergriffen, zum letzten Male, für das Hochstift Besitz der gesamten 1433 verpfändeten Weserlande einschließlich Hameln und haben sogar die gerade damals erledigte Grafschaft Spiegelberg als vorgebliches Stiftslehen eine Zeitlang eingenommen.

 1) St. A. Hannover, Cal. Br. Arch. Des. 1i A4. b.

 2) Cal. Or. Arch. Des. 31 Homburg Nr. 80 – 82.

 3) Die “acta prodigiosi voluminis” darüber St. A. Hannover; der calb. Kanzlei, Cal. Br. Arch. Des. 1i A4 ; der celler Kanzlei, Celler Br. Arch. Des. 24 II, der hilh. Kamzlei Hildh. I. - Theil 7  Abschnitt 2.  Druckexemplar der „Beständigen Ausführung . . des Hauses Lüneburg“ Celler Br. Arch. Des. 24 ii Nr. 7 (von 1627).

Erst der Sieg bei Hessisch-Oldendorf1633 machte der stiftischen Okkupation und ihren gegenreformatorischen Maßnahmen ein Ende, und durch den Tod Friedrich Ulrichs wurden auch die 200jährigen Streitigkeiten um das homburgisch-eversteiner Erbe innerhalb der welfischen Linien zur rechten Zeit erledigt. Bei der im Hause Lüneburg als Gesamterben 1635 vorgenommen endgültigen Teilung wurde der noch heute bestehende Zustand hergestellt, dem man im wesentlichen die erste Teilung zwischen Calenberg und Wolfenbüttel zugrunde legte. Doch kam infolge der inzwischen eingetretenen kleine Ausgleichungen Ottenstein an Wolfenbüttel, Lüethorst und Hameln ungeteilt an Calenberg. Der Braunschweiger Hauptrezess 4) von 1643 besiegelte dann diese Abmachungen durch endgültigen Verzicht des Hochstifts aus alle Ansprüche an diese Gebiete.

 4) Im Auszug bei Baring, Descriptio Salae, II S. 123. Original in St. A. Hannover, Celler Or. Arch. Des. 8 Nr. 1086.

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§ 2: Die Weiterbildung der Ämter.

Als die Lande Homburg und Everstein an die Welfen kamen, war ihre innere Verwaltung sehr ungleich ausgebildet. Soweit wir sehen können, befand sich die A m t s v e r f a s s u n g  in der Grafschaft Everstein noch auf sehr unvollkommener Stufe und stellte lediglich einen Verband räumlich benachbarter Abgabepflichtiger Höfe und Dörfer dar; in der Herrschaft Homburg war sie wesentlich besser entwickelt und scheint, wenn auch noch die privatrecht-lich–wirtschaftlichen Gesichtspunkte vorherrschten, doch schon mit den Bestandteilen  einer Landesregierung und Obliegenheiten öffentlichrechtlicher Art durchgesetzt gewesen zu sein. In beiden Territorien gab es einen zahlreichen kleinen Adel auf Lehns- und Eigengütern, allerdings mit sehr verschiedenen Machtansprüchen und Leistungen der Landesherrschaft und den Ämtern gegenüber.

Die Entwicklung der folgenden Jahrhunderte endet bei einem erst in neuerer Zeit zu klassischer Ausbildung gelangten Zustand, in dem die Wahrnehmung aller Rechte und Pflichten der lokalen Landesverwaltung an die Ämter gelangt, deren ursprüngliche wirtschaftlichen Funktion schließlich an die Domänen übergehen. Im 15. Jahrhundert, beim Fehlen einer zentralen Behördenorganisation, steht das Amt in unseren Gebieten noch auf der Stufe eines Übergangs vom Großwirtschaftshof des Landesherrn zum Sitz und Organ der Landesverwaltung. Es ist in ersterer Eigenschaft hauptsächlich ein Vermögensobjekt, das Geldgeschäften rein privatrechtlicher Art dienstbar gemacht wird. Die Geschichte der Ämter ist bis ins 17. Jahrhundert eine Geschichte ihrer P f a n d s c h a f t e n. Die öffentlic-rechtlichen Inhalte des Amts aber haben zur Folge, dass mit der wirtschaftlichen Nutznießung  auch Hoheitsrechte an den Pfandinhaber übergehen; war dieser selbst Landesherr, konnte daher eine langjährige Verpfändung leicht zu völligem Übergang in das fremde Territorium führen.

Unter der Oberfläche der Überlieferung im Einzelnen wenig erkennbar vollziehen sich nun im 15. und 16. Jahrhundert eine allmähliche Ausgleichung in der noch ungleichartigen Struktur der Ämter und ihre Durchdringung mit Elementen der landesfürstlichen Hoheit, die im 16. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt erreicht. Gegen 1550 ist die Funktion der Amtsverfassung nach innen nahezu Geschlossen. Als einen starken Ausdruck dafür empfand die Zeit selbst die berühmte „letzte Goe in der Herrschaft Homburg, 1)“ die Herzog Heinrich der Jüngere im Jahre 1529 an der Stätte des alten Gogerichts zwischen Brockensen und Heyen abhielt und auf der allen Junkern der Herrschaft das Halsgericht abgesprochen wurde. Überhaupt liefert das Schicksal der Gogerichte die besten Aufschlüsse für diese Entwicklung. Bis ins 16. Jahrhundert werden landesherrlichen  Interessen bei ihnen noch durch die Fürsten <1) Bege, Vat. Arch. 1835.> In eigener  Person oder ihre unmittelbar ad hoc Beauftragten vertreten, von da ab aber durch die Organe der Ämter, bis sich schließlich ganz von den Landgerichten übernommen werden; die Gogreven sind zuletzt nichts als Amtsbüttel und als solche z. T. ins 19. Jahrhundert nachweisbar.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bahnt sich nun aber auch eine rückläufige Bewegung an: die Durchbrechung der Amtsverfassung durch exemte Gerichte. Der landsässige Adel und das Bürgertum der Städte, denen wachsender Wohlstand eine wirtschaftliche Überlegenheit über das vielfach verschuldete Fürstentum verschafft, erwerben, teils durch Akte landesherrlicher Vergebung, teils auf dem Wege des Gewohnheitsrecht in jahrzehntelangem Rechtsstreit, eine Ausnahmestellung gegenüber den Ämtern, die sich stellenweise bis zur völligen Unabhängigkeit steigert. So durchsetzen sich die Ämter nach und nach mit einer Art von neuen Immunitäten, deren sehr verschiedenartigen Befugnisse erst im 18. Jahrhundert in der Zweiheit von „geschlossenen“ und „ungeschlossenen“ Gerichten eine gleichmäßige Regelung fanden. Die Geldnot Friedrich Ulrichs hat diese Entwicklung sehr gefördert.

Nach der t e r r i t o r i a l e n  Seite folgt die Entwicklung der Ämter durchweg den Ansätzen. Die sich schon in den mittelalterlichen Territorien fanden. Der hier gegebene Bestand ist in der Hauptsache unverändert geblieben. Bis ins 16. Jahrhundert bleiben die festen „Häuser“, deren Besitz von Alters her mit der Herrschaft über die umliegenden Dörfer verknüpft war, die Sitze der Ämter; ihre „Inholder“ versahen die Obliegenheiten der Landesverwaltung und Landesverteidigung, und die „Burgfeste“ war eine erste Pflicht der landsässigen Untertanen. Mit dem Allmählichen Verfall der alten Burgen verlegte sich dann der Schwerpunkt der Ämter auf die festen Gutshäuser, die, wo es möglich war, mit ihnen verbunden oder aber aus den alten Wirtschaftshöfen der Burgen ausgebaut wurde. So wurde der Amtssitz in Everstein 1493 noch Forst, in Homburg spätestens 1535 nach Wickensen, in Lauenstein, Greene und Hohenbüchen nach den Orten am  Fuß dieser Burgen verlegt. Während alle übrigen sich unmittelbar in Amtshäuser verwandeln ließen und z. T. noch heute die Amtsgerichte in ihren Mauern hegen.

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Ein Beweis für die außerordentliche Selbständigkeit, mit der sich die einzelnen Ämter untereinander als lose gefügte Zellen eines werdenden staatlichen Organismus bis weit ins 16. Jahrhundert gegenüberstanden, sind die Landwehren oder Knicks, d. h. mit „geknickten“ Baumhecken bepflanzte Erdaufwürfe, die, in ihren Resten teilweise noch heute erkennbar, in früheren Zeiten die meisten Ämter in unserem Gebiete umgaben und gegeneinander abgeschlossen. Schon im Jahre 1327 wird eine lantwer inter silvam Quadagen et montem Buttersbergk 1) erwähnt, die den Durchgang über das Odfeld sperrte. Gerade der häufige Zusammenfall von Grenzen und Landwehr , der allmählich eine gewisse Bedeutung für die Entwicklung des Grenzbegriffs gewonnen haben wird, ergab in den Waldgebirgen, wo Knicks gewöhnlich fehlten, große Unsicherheiten in der Schnedeführung.

Die  l i n e a r e G r e n z e  weltlicher Territorien ist unzweifelhaft nicht erst eine neuzeitliche Erscheinung. Noch aus dem Hochmittelalter und vollends aus dem 14. und 15. Jahrhundert haben wir in unserem Gebiet verschiedene Fälle von räumlich ganz bestimmter Absetzung hoheitlicher und besitzrechtlicher Grenzen im Gelände. Inwieweit der alte Begriff der alte Begriff der forestis hierbei eine Rolle spielte, wäre umso interessanter zu untersuchen, als die meisten derartigen Grenzsetzungen in der Tat die Verteilung von Wald oder die Ausscheidung von Privatwaldungen aus einer Mark betreffen 2).

1) Spilcker Nr. 344.

 2) Zu erwähnen sind Amelungsborner Markbeschreibungen im Solling und Vogler: von 1204 (Spilcker Nr. 24) von 1300 (Spilcker 268) (Nr. 344) und Waldteile Corveys im Solling von 1418, der v. Steinberg im Hils von 1413 usw.

Den  ersten  Fall  einer in  ihrem   ganzen Verlauf planmäßig  bezeugten Hoheitsgrenze  im Arbeitsgebiet müssen wir wohl, da die im Jahre 1510 aufgeführte Urkunde 1) über die Grenzen des Hauses Ärzen von 1226 (oder 1326?) von sehr zweifelhafter Echtheit ist, in einer Grenzsetzung zwischen Lippe und dem Amt Polle von 1463 sehen 2). Die Kennzeichnung der Grenzen geschah zunächst, wo sie sich nicht an Knicks oder Gewässer anlehnten, durch „Malbäume“; für die war das alte „Wald- und Wildzeichen“ der Welfenherzöge die senkrechte Wolfsangel, der Grafen von Spiegelberg die Hirschstangen usw.  Grenzversteinungen kommen entgegen Günther Schmidts Ansicht 3) in unseren Gegenden nicht erst im 17.  und 18., sondern schon im ganzen 16. Jahrhundert massenhaft vor 4). Eine in ihrer Art einzig dastehende Aufteilung strittigen Geländes durch mathematische Vermessung und geodätische Zerlegung ist aus dem Jahre 1588 zwischen Corvey und Polle in guter Überlieferung 5) bezeugt. Sonst vollzog sich in dieser Zeit die Grenzsetzung noch im Allgemeinen durch Zeugenverhör der „ältesten Landsassen“ und nachfolgende Einigung oder  gerichtliche Austragung.

Ein überaus wichtiger Schritt zur Verfestigung des gesamten Grenzsystems in unseren Gegenden ist der große Ausgleich zwischen den Landen wolfenbüttelschen und calenbergischen Teils, der auf Grund eines am 6. Sept. 1556 zu Gandersheim zwischen den Herzögen Heinrich und Erich geschlossenen Rezesses in den Jahren 1556 – 1558 durch eine gemischte Kommission fürstlicher Räte erfolgte. Mit nur wenigen Ausnahmen, die sich z. T. bis ins 18. Jahrhundert als strittige Räume erhielten, gelang in fast allen Fällen eine Einigung über die Schneden. Die protokollarischen Aufzeichnungen der Verhandlungen und Rezesse waren in einem „Grentz-Buch“ vereinigt, das in Hannover (aus der calenberger Kanzlei) nur lückenhaft 6), in Wolfenbüttel aber fast vollständig 7) erhalten ist und uns, ergänzt durch eine reichliche Parallelüberlieferung der Amtsakten, für die Grenzen des Jahrhunderts unschätzbares Material an die Hand gibt. Die äußeren Grenzen sind meist etwas später verfestigt. Wir verfolgen nun die Entwicklung der einzelnen Ämter.

1) UB. des Hochstifts II, 167. Vgl. Günther Schmidt, die alte Grafschaft Schaumburg, S. 31. – Dasselbe gilt für eine unter den Akten St. A. Hann. Hildh. I, 8.8 Nr. 2 mitgeteilte olde grenitz (so! ein Lehnwort des 16. Jhdts.!) der greveschop Winzenborg von 1371.

2) Lippische Regesten IV, 2530.

3) Schmidt a. a. O. S. 69.

4) Sogar schon i. j. 1300 wird eine amelungsborner Waldgrenze im Vogler arboribus et lapidibus vermalt, Sp. 268.

5) Akten St. A. Hannover, Cal. Br. Arch. Des. 1 h C 3-8, Karten und Risse Karten I B b95.

6) Cal. Br. Arch. Des. 1 i A Nr. 9.

7) Grenzakten X a 3.

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I. Land Calenberg.

E v e r s t e i n e r  A n t e i l

1. Das Amt Ärzen, im Norden durch den “Eversteiner 1) (später Schaumburger) Knick” begrenzt, erhielt sich in dem Umfang, den es nach dem eversteiner Kornregister schon im 14. Jahrhundert hatte. Das Landgericht wurde am Amtssitz gehalten und erstreckte sich anscheinend über alle Eingesessenen. H ä m e l s c h e n b u r g   bewahrte die Ausnahmestellung, die ihm als befestigtem Adelsitz von alters gesichert war, auch  nachdem die alte Hermersenborch auf der Woldau zerstört und der adlige Hof an die heutige Stelle verlegt war. Hier errangen die v. Klencke nach langem Rechtsstreit im Jahre 1600 die Anerkennung ihrer seit langem ausgeübten Patrimonialgerichtsbarkeit 2). Ohr war ebenfalls der  Sitz einer  alten Adelsfamilie (Hake) mit weitgehenden richterlichen Befugnissen, deren

1) So noch im Fischbecker Vertrag von 1602. Cal. Br. Arch. Des.  1 l A 7

2) Cal Br. Arch. Des. 2 Ärzen Nr. 9

Oberinstanz die Schnede der „Goe auf der Hamel“ von 1590 3) noch zwischen den Ämtern Ärzen und Calenberg streitig zeigt. Ein weiteres adeliges Gericht bildete sich an der Nordgrenze des Amts Ärzen in der Münchhausenschen  H e r r s c h a f t  S c h w ö b b e r,  zu der das große Dorf Grupenhagen gehörte und die später ein ungeschlossenes Gericht bildete.

2. Das Amt Ohsen umfasste nach amtlichem Bericht des Drosten 1596 4) nur die Orte Ohsen, Emmern und Tündern; noch aus eversteiner Zeit her gehörte bis 1532 5) auch Esperde diesem viel verpfändeten Amte an. Das nachmals ohsische Völkerhausen scheint erst später dazu gekommen zu sein, wodurch Voremberg eine Exklave des Amts Grohnde wurde.

H a s t e n b e c k, wahrscheinlich ein altes Zubehör der Grafen von Everstein, die hier Ende des 12. Jahrhunderts viel Eigengut hatten 6), bildete später einen selbständigen Gerichtsbezirk der v. Hastenbeck, nachmals v. Reden. 1618 wurde es vorübergehend mit Behrensen, Afferde, Rohrsen und Voremberg zu einem besonderen Amt für die Wobersnows zusammengefasst 7), aber alsbald wieder auf das geschlossene Gericht im Orte selbst beschränkt.

3. Das Amt Grohnde vergrößert seinen Bestand gegen die älteren Zeiten durch Börry und Esperde, während Frenke bis 1591 eine Exklave des Amts Wickensen blieb 8). Eine schärfere Grenzsetzung gegen dieses Nachbaramt bildete sich unter dem hemmenden Einfluss der früheren Zusammenhänge überhaupt erst spät und unter heftigen Streitigkeiten, besonders <

 3) Cal. Br. Arch. Des. 8 Hameln Nr. 28.  Ebenso Cal. Br. Arch. Des. 1 l  IV 5: zum anderen erstreckt sich das Gericht Calenberg uber die Wießer ans Gericht Ertzen bis in das dorffOhr dar In Hieronimuß Hacke Seßhaft, 1588.

 4) Cal. Br. Arch. Des. 2 Ohsen In. 28.

5) Spilcker, Graf von Everstein I S. 73.

 6) Spilcker Nr. 22.

7) Meißel, Kreis Hameln. S. 37.

 8) Mit den heusern, flecken und dorffern des ampts Grohnde hat das dorff Frenke, alß das mitten wie under den hunden liegt, aller enden irrung und gebrech, 156, Cal. Br. Arch. Des. 1 i A 7.

>

am Eichberg. Frenke, 1591 zu Grohnde gelegt, ist mit einer kurzen Unterbrechung (1630 – 1634) diesem Amt verblieben 1). Dagegen hatte es Lüntorf wiederholt gegen die Ansprüche Ärzens und Ottensteins zu verteidigen 2). Das Landgericht war zu Grohnde 3).

4. Das Amt Polle, durch den Anschluss Ottensteins an Wolfenbüttel (1516) gegen die Bestimmungen des Erbvertrages von 1595 exklaviert, hat deswegen ein wenig beachtetes Sonderdasein geführt. Gegen die fremden Nachbarn Corvey und Lippe-Schwalenberg ergaben sich erhebliche Grenzstreitigkeiten, z. B. um das Kloster Falkenhagen, dessen räumlichen Mitbesitz Braunschweig von Lippe in der Weise verlangte,  daß wenn der Schottelpott über dem Herde mitten intzwei brichet, die eine helfte schwalenbergisch die andere pollisch sei. (1527) 4). Der schwierigen Situation sollte ein Vertrag zu Fürstenberg 5) füglich ein Ende bereiten, doch suchte noch 1611 ein pollischer Amtmann die „uhralte Schnede“ durch das Kloster geltend  zu  machen 6). Ähnlichen  Zwistigkeiten  mit Corvey  machte 1588 die oben - S. 38 - erwähnte Grenzvermessung ein Ende, die zu der noch heute gültigen Grenze geführt hat. Wann  und wodurch Pegestorf eine Exklave des Amts wurde, ist nicht  ersichtlich, da für die älteste Zusammensetzung die Belege fehlen.

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H o m b u r g e r  A n t e i l

5. Die Stadt Bodenwerder erfreute sich, in gewisser Weise durch  ihre territoriale Isolierung begünstigt, unter hildesheimer und welfischer Hoheit im Ganzen der Rechte, die ihr <

 1) Cal. Br. Des. 1 f D n 3.

2) Cal. Br. Arch. Des. 1 i A92.

 3) Wenigstens 1669.Cal. Br. Arch. Des. 1 i G 2 b.

 4) Lippische Regesten III, 3152.

 5) Regest. Lipp. Reg.  IV, 3214 – Cal. Br. Arch. Des. 1 e D 1.

 6) Cal. Br. Arch. Des. 1 e D 2. 3.

die homburgische Stadtverfassung gewährleistete 7). Schon im 14. Jahrhundert durch Kauf in

den Besitz kleiner Liegenschaften auf den Ufern und Werdern der Weser gelangt 8) erwarb die Stadt im Jahre 1418 von den Herzögen einen Teil des Voglers mit dem ertboden an berge unde dalen, an holte, an velde, an water unde weide, an gerichten unde rechten 9), und suchte nun ihre hoheitlichen Ansprüche darauf gegen die Ämter Homburg-Wickensen und Everstein-Forst durchzusetzen. Die genannten Ämter dagegen standen in Konkurrenz miteinander der Stadt nur bis auf das dritte Joch der Weserbrücke irgendwelche Rechte zu und lebten mit ihr in einem beständigen Kleinkrieg. Wiederholt führten kriegerische Unternehmungen der streitbaren Bürgerschaft, die mit mortlichen weren, roren und anderen waffen in zimblicher antzal feint- und frerentlicher weiß in die Nachbarämter einfiel, zu Landfriedensbruchprozessen 10). Erst 1620 erreichte die Stadt durch eine Anleihe von Friedrich  Ulrich  die Anerkennung  ihrer Gerichtsbarkeit im Vogler 11), sowie als <

7) Leider wissen wir nicht, wann und wodurch das Schloss zerstört wurde, dessen Fall der Stadt

eine viel größere Bewegungsfreiheit gegeben haben muss.

8) Zusammengestellt bei Meyer, Hannov. Magazin 1848 S. 561 ff.

9)  Abschrift Cal. Br. Arch. Des. 1 i B Nr. 3.

10) Akten darüber St. Arch. Hannover Cal. Br. Arch. Des. 1 i A und B.

11) Cal. Br. Arch. Des. 1 i B Nr. 17.>

bedeutendsten Schritt zur Selbständigkeit das Recht, die seit 80 Jahren versetzte Stadtvogtei1) einzulösen und 60 Jahre für sich zu behalten. Durch die Nöte des 30jährigen Krieges und einige schwere Überschwemmungen geschwächt, vermochte die Stadt diese unabhängige Stellung nicht zu behaupten und hat ihre Selbständigkeit nur durch den Reichtum ihrer Forsten gehalten. Der Rat behielt das Recht der „Verfestung und Wiedereinnehmung“ in bestimmten Fällen, die Verhaftung der auf frischer Tat Betroffenen und die Vollstreckung der vom Stadtvogt unter Hinzuziehung von 3 Ratspersonen verhängten Urteile „auf Hals und Haut 2). Das bodenwerdersche Territorium erstreckte sich bis ins 19. Jahrhundert auch über einige jetzt braunschweigische Gebietsstücke am rechten Weserufer bis in die Landwehr dicht vor Rühle, sowie im Lennetal aufwärts bis Linse, wo die Stadt auf Grund alter Verleihung den Zoll am „Thran“ beanspruchte.

6.  Lüethorst, 1496 unter den von Herzog Heinrich d. Ä. auf den wolfenbütteler Anteil übernommenen und von Hildesheim losgekauften Häusern genannt 3), verlor seine Stellung als selbständiges Amt mit dem Übergang an Herzog Erich d. Ä., wahrscheinlich in der Stiftsfehde. 1521 verpfändete  dieser das Schloss mit allem Zubehör 4) und zog es später zu dem neu erbauten Haus Erichsburg. Bei diesem Amt ist das Lüethorster Gebiet als eigene Vogtei hinfort geblieben, da ein 1630 unternommener Versuch, es auf Grund der alten Zusammenhänge wiederumb ans Ampt Homburg zu nehmen ohne Folgen blieb 5). Doch war die Grenze mit Wickensen lange strittig.

1) Das der Stadt gegen das Privileg von 1287 jahrzehntelang entfremdete Vorschlagsrecht des Stadtvogts wurde ihr erst im Jahre 1600 wieder zugestanden. Rezess darüber St. A. Hannover, Cal. Or. Arch. Kl. calenb. Städte Nr. 51.

2) Die Dingstätte mit dem Stadtgalgen befand sich auf braunschweigischem Gebiet am Eckberg.

3) St. Hannover, Celler Or. Arch. Des. 8 Nr. 772.

4) Ebenda. Cal. Or. Arch. Des. 18 unter Lüethorst.

5) Ebenda. Cal. Br. Arch. 1 f D Nr. 3.

7. Das große Amt Lauenstein zeigt sich in welfischer Zeit mit Hoheiten derartig übersättigt, dass es damit weit in die Nachbarämter hinübergriff. Nach außen nahm der „Inholder des Hauses Lawenstein“ eine fast landesherrliche Stellung ein, und für die Amtseingesessenen bestimmte die große Goe auf dem Möhlenbrinke 1535 6), dass alle de wonen im gerichte Lawensteins unde gebruken Water Wisch Holt Veld unde Weide gehören up dat gherichte tho Hemmendorpe unde Möhlenbrinke.

Von diesen beiden G o g e r i c h t e n  ist das zu  H e m m e n d o r f,  das nördlich dieses Ortes auf einer Höhe bei der heute s. g. „Tillylinde“ 7) gehalten ward, zuerst für das Jahr 1418 8), dasjenige am M ö h l e n b r i n k e (zwischen Wallenden und Eggersen)  für 1442 9) <

6) Rudorff, Das Amt Lauenstein, ZHVNds. 1858 (benutzte Amtsakten, u. a. ein Lauensteiner Erbregister von 1595, die nicht mehr vorhanden sind).

 7) Entstellt aus Thielinde? Die Karten des 18. Jhdts. Verzeichnen den Baum als „Wart (Wahr) Baum“, (Angeblich hielt dort Tilly sein Feldlager).

 8) UB. der Stadt Hildesheim III, 819.

9) Ebenda IV. 454 A.

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zuerst zu belegen. Eine Urkunde von 1461 1) gibt Einblick in die Gerichtsverfassung der Goe Hemmendorf, der Johann Grutmann als eyn ghesworen underrichter to Hemmendorpe vorstand. Besiegelt ist die Urkunde durch Hinrik Blomberges eyn ghesworen gogreve der voghendyge to Lauwensteyne mit dem inghesegel dat my van amptes wegen bevolen is. Es gab also einen beamteten Gogreven für die gesamte Vogtei Lauenstein; dies ist wohl der 1432 erwähnte 2) „Freigraf“ zu Lauenstein, dessen Amt (als „Hogreve“), allerdings mit sehr veränderter Stellung, sich bis ins 19. Jahrhundert gehalten hat. Das Gogericht der „Niederbehörde“ zu Hemmendorf, 1650 noch vorhanden 3), ging später in das Landgericht Lauenstein auf; die Goe auf dem Möhlenbrinke, die 1535 noch durchaus in alter Form in Gegenwart der Vögte von Neustadt, Calenberg und Coldingen als „fürstlicher Kommissarien“ gehalten wird, scheint eingegangen zu sein.

A d l i g e  G e r i c h t e in diesem straff organisierten, mit landesherrlichen Rechten stark durchsetzten Amte bildeten sich erst verhältnismäßig spät (v. Stöckheim-Limmer, bis 1643 auch von Hildesheim beansprucht; Banteln, Heinsen).

Dagegen behauptete B e n s t o r f als ein altes Zubehör des Amts Poppenburg seine Unabhängigkeit gegen Lauenstein bis ins 18. Jahrhundert 4). Von den homburger Güterverzeichnis zum Amt Lauenstein gerechneten Dörfern gingen Brunkensen, Banteln, Brüggen und Sorsum schon früh verloren. Dagegen ergaben sich auch den weitgehenden Ansprüchen des Amt namentlich gegenüber den hildesheimschen Nachbarämtern unaufhörliche Hoheitsdifferenzen 5), besonders im Osterwald, an der Saale und Leine, die noch auf den Karten des 18. Jahrhunderts in Gestalt ausgedehnter strittiger Gebiete zu Tage treten. Auch gegenüber Wolfenbüttel ergaben sich jahrhundertelange Unstimmigkeiten durch lauensteiner Ansprüche auf einen Teil von Koppengrave 5). Grundsätzlich anerkannt  waren indessen die Ansprüche des Hauses Lauenstein auf die „Hoch- und Botmäßigkeit“ der großen H e e r s t r a ß e n  auch über die Amtsgrenzen hinaus. Schon die Goe am Möhlenbrinke von 1535 erkannte auf die Frage 6) wu with dat Gerichte sy und den Inholder des behoere to vorthdingende? dass ith behore to vorthedingende wenthe up de Duvenbrugge vor Hamelen unde wenthe up de brügge vor Poppenburg unde wente up de Villerbrügge vor Gronawe unde < 1) Baring, Descriptio Salae, II S. 186f. Beylage 50.

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 2) UB. Der Stadt Hildesheim, VI S. 518. (IV, 156).

 3) Rudorff, ZHVNds. 1858 S. 226.  Die Bezeichnung Lauwenstynsche borde tritt um 1420 auf,

    UB. Sta. Hildesheim VI, 210.

 4) Es fehlt unter den Amtsdörfern des Instrumentum apprehensae possessionis 1589, wird

    dagegen in allen Poggenburger Erbregistern geführt. Akten St. A. Cal. Br. Arch. Des. 1 f E 5,

    Hild. 1, Theil 8, Abschnitt 6 Nr. 37. usw.

 5) Akten in den beteikigten Grenzregistraturen passim.

 6) Rudorff, ZHVNds. 1858 S. 214.

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wente up de Steinbrügge vor Alfeld, wenn dar ein heermann vor hölt und mit einen rennspete7) affreken kann: so with behoere den inholder des Huses Lawenstendat gerichte to vorthe- <

 7) Statt des „Rennspießes“ hat das Landgerichtsprotokoll St. A. Hannover Ms. C 56einen glevistaken (!) lang vor 16 schun, dafur uff der spitzen ein gewappneter handschue hanget, entsprechend dem üblichen alten Straßenrecht. Vgl. Schwabenspiegel ed. Lassberg § 221; des kuniges strazen su in sehzehn schuhe wit sin usw.

ingende. Diese Bestimmung schloss also die Hoheit auf der alten, schon 12211) erwähnten koninges strate (so 1316) 2) von Hameln nach Hildesheim ein, die von der Taubenbrücke 3) (wahrscheinlich über den Weserarm östlich Hamelns) über Afferde, Behrensen, Koppenbrügge, Hemmendorf, Mehle nördlich um Elze herum 4) nach dem alten Leineübergang bei Poppenburg der lauensteiner Hoch- und Botmäßigkeit unterstand. Es ergaben sich daraus viele Streitigkeiten und noch im 17. Jahrhundert militärische Zusammenstöße mit dem Stift Hildesheim, demgegenüber Hannover erst 1796 auf die Straßenhoheit zwischen Mehle und Poppenburg verzichtet hat 5). Eine wunderliche Häufung von Hoheitsansprüchen ergab sich aus den Geleitsrechten des Amts Lauenstein auf dem Straßenkreuz vor der Alfelder Steinbrücke. An dem nicht weniger als 4 „Mächte“ interessiert waren: das Stift Hildesheim, die Stadt Alfeld, die Steinbergs auf Wispenstein und das Amt Lauenstein 6). Ähnliche Überschneidungen von Hoheitsansprüchen sind allerdings auch sonst vorhanden.

Die Einführung der preußischen Kreiseinteilung in Hannover hat, von praktischen Gesichtspunkten bestimmt, die historischen Zusammenhänge der alte Ämter calenbergischen Teils stark zerrissen. Der K r e i s  H a m e l n hat aus unserem Arbeitsgebiete an sich gezogen die alten Ämter Ärzen, Grohnde-Ohsen, Polle Koppenbrügge, die Stadt Bodenwerder, ferner den größten Teil der „Goe auf der Hamel“ (deren Rest Kreis Springe zufiel) und schließlich die westliche Hälfte des großen Amts Lauenstein, dessen Osthälfte unter die  K r e i s e G r o n a u  u n d  A l f e l d  des Reg. Bez. Hildesheim geteilt ist.

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II.  Land  Wolfenbüttel

Homburger Anteil.

1. Das Amt Greene erhielt sich in dem Umfang des homburgischen Güterverzeichnis-ses. Demgegenüber nahm  H o h e n b ü c h e n  eine selbständige Stellung ein, die allerdings Unterbrechungen unterworfen war, da Koppengrave und Hohenbüchen, das Zubehör des 1553 zerstörten Hauses, bald als eigenes Amt, bald als Orte des Amts Greene erscheinen 7). Eine Ausnahmestellung besaß auch der nördliche Teil des Hilses, das „A c k e r h ä u s e r H o l z“ (nach einem ausgegangenen Orte oder entstellt  aus Hasekenhausen, dem Hauptort der ansto-

  1) UB. Ho. Hildesheim II, 25.

2) Hamelner UB. I, 182.

 3) Zuerst erwähnt 1405, Hamelner UB. I, 772.

 4) Diesen Verlauf der Heerstraße bestätigen die Karten der hannoverschen Landesaufnahmedes 18. Jhdts.  Sie ist auf unserer Karte Nr. 2 so eingetragen.

 5) Vgl. Meese, „Das Geleitsrecht wie auch die Hoch- und Botmäßigkeit auf der alten Heerstraße von Mehle nach Poppenburg und die Tempelherren zu Poppenburg“, ZHVNds.1870 S. 185 ff.

 6) Akten St. A. Hannover Cal. Br. Arch. Des. 1 f E Nr. 28  (1672. Mit Rissen).

 7) Nach außen, z. B. Grenzstreitigkeiten mit Lauenstein, wird Hohenbüchen meist vomAmt Greene vertreten.

ßenden winzenburger Goe?), dessen Umfang eine Grenzbeschreibung von 15871) kennzeichnet. Es wurde im 16. Jahrhundert allgemein als ein „uraltes“ Zubehör des hildesheimischen Amts Winzenburg anerkannt, dem darin Forst-, Jagd- und Waldzins zustand, während die hohe landesfürstliche Obrigkeit an das Haus Greene gehörte. Bei der Wiederbesetzung der vom Stift Hildesheim im 30jährigen Kriege okkupierten Gebiete ergaben sich Streitigkeiten über die Zugehörigkeit des Ackenhäuser Holzes, das zunächst von Calenberg in Besitz genommen war und erst 1649 an Wolfenbüttel herausgegeben wurde 2).

B r u n k e n s e, seit 1393 im Besitz der Familie von Wrisberg, war schon im 16. Jahrhundert ein exemtes Gericht, über das merkwürdigerweise wiederum das hildesheimer Amt Winzenburg Hoheitsansprüche geltend machte 3). Ob dies Übergreifen stiftischer Rechte auf das alte homburger Territorium in alten Lehnsverbänden oder in dem langjährigen Pfandbesitz der Häuser Greene und Hohenbüchen seinen Grund hat, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls hat der hildesheimer Anspruch auf Brunkensen und das Ackenhäuser Holz nach dem Ausweis des Erbregisters von 1587 die Okkupation des „großen Stifts“ überstanden und ist erst im Braunschweiger Hauptprozess von 1643 erledigt worden 4).

Das Gebiet des Hauses Hohenbüchen. Des Ackenhäuser Holzes und des Gerichts Brunkensen ist in neuerer Zeit dem Amt Greene entzogen und zum Kreis Holzminden gelegt worden, dessen Grenze sich somit auch hier an eine sehr alte territoriale Lagerung anlehnt.

D ü s t e r n t h a l,  seit 1413 im Besitz derer v. Steinberg, gelangte später zur Stellung eines ungeschlossenen Gerichts.

Das  L a n d g e r i c h t d e s  A m t e s  G r e e n e wurde nach Ausweis des Erbregisters 5) jährlich dreimal gehalten, und zwar bemerkenswerter Weise noch nicht am Amtssitz, sondern unter der Linde zu Naensen. Der Befehlighaber des Hauses Greene wählte aus 3 ihm von der Mannschaft des Amts vorgestellten Mannen (Bauern) den Hogreven, und bestellte den Amtsbüttel, des Landes Knecht. Ebenso wurde damals noch das Freigericht, das für das Gut der freien Erben zuständig war, durch den Freigreben zu Naensen, ehedem auch zu Delligsen, gehalten; hierin haben wir wohl den letzten Rest des alten Gogerichts zu sehen, das an den Sitz des Landgerichts gezogen und später ganz mit diesem verschmolzen wurde. Der alten Gerichtsstätte in Stroit blieb das Hägergericht. Amtsvögte gab es zu Greene, Naensen und Markeldissen auf den Vorwerken des Amtes.

2. Das große Amt Wickensen, die Kernlande der alten Herrschaft Homburg umfassend, hat seinen territorialen Bereich gegen die alte Zeit nicht unerheblich verändert. Es verlor Lüethorst durch die Leibzucht der Schonette von Homburg, zog aber von der alten Vogtei Hehlen die Orte Hehlen, Daspe, Heyen, Kreipke, Bremke und Linse, außerdem Kemnade und Brökeln sowie Harderode und Bisperode an sich, von denen die letzten vier Orte in den homburgischen Güterverzeichnissen von 1400 überhaupt fehlen, später aber, wenn auch als exemte Gerichte, zur Herrschaft Homburg gehört haben. Auch Frenke war bis 1591 beim Amt Wickensen, das nach dem auf der Erbhuldigung 1589 übergebenen „Summar-

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  1) Winzenburger Erbregister, mitgeteilt Cal. Br. Arch. Des. 1 i L 5.

 2) St. A. Hannover, Cal. Br. Arch. Des. 1 I L 5. LHA. Wolfenbüttel, Grenzregistratur X i 5.

 3) Winzenburger Erbregister 1587. – Hildh. I. Theil 7. Abschnitt 2 Nr. 20.

 4) Baring, Descriptio Salae, II S. 134.

 5) LHA. Wolfenbüttel, Amt Greene.

ischen Verzeichnis“ 1) mit 1 Stadt, 1 Flecken, 2 Klöstern, 5 adligen Höfen und über 900 Hausstellen in 35 Dörfern das weitaus reichste Amt in den Weserlanden gewesen ist. Seiner Größe wegen gewann die Teilung in eine Ober- und Niederbörde  besondere Bedeutung;  es ergaben sich daraus zwei Landgerichte, in Eschershausen und Halle. Das Landgericht in Halle <1) Vat. Archiv 1835 III. Vgl. auch die Statistische Übersicht S. 71.> wurde noch 1572 in den alten Formen des Gogerichts gehalten 2); zugegen waren außer dem Richter, 4 Beisitzer und dem Bevelighaber der Herrschaft Homburg 6 fürstliche Räte und 2 fürstliche vorsprechen, dazu die ganze Niederbörde. Die gemeinschaftliche alte Goe der Herrschaft Homburg am Eichberg war 1529 zum letzten Male gehalten, wobei den Junkern und adligen Knaben das Halsgericht aberkannt und dem Amt zugesprochen wurde; nur das Hägergericht verblieb dem Adel 3) (bis in die westfälische Zeit 4). Sogar zur Burgfeste wurden die Junker verpflichtet und wirklich herangezogen 5). Die weitere Entwicklung nahm nun in den verschiedenen Teilen des Amtes eine verschiedene Richtung. In der O b e r b ö r d e  wurde die hier schon aus homburgischer Zeit in starker Ausprägung übernommene landesfürstliche Hoheit kaum durchbrochen. Die Einwohner waren nach dem Erbregister von 1500 fast ausnahmslos unfrei und zu außergewöhnlichen Diensten und Leistungen verpflichtet. Nur in Denkiehausen, dessen Zugehörigkeit zwischen Wolfenbüttel und Calenberg zeitweise strittig war, gelang es einer Adelsfamilie (Rauscheplate) sich gegen das Amt durchzusetzen 6). In S t a d t o l d e n d o r f  übte der Landesherr im 16 Jahrhundert die hohe und niedere Gerichtsbarkeit aus und ließ jährlich einmal dort Wrogegericht halten; der Rat hatte hier lediglich „bürgerlichen Zwang“ 7).

Anders in  N i e d e r b ö r d e,  wo in entlegenen Teilen des Amtes ein zahlreicher und wohlhabender Landadel um die Wiederherstellung seiner alten Sonderrechte bemüht war. In H e h l e n übernahmen die Schulenburgs 1558 die heimgefallenen Frenkeschen Lehngüter mit weitgehenden gerichtlichen Befugnissen, die die Hoheit des Amtes beeinträchtigten 8). Ein grundlegender Vertrag vom 22. Okt. 1576 9) sprach ihnen die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über Hehlen, Daspe, Brökeln und Frenke zu. Sie sollten das Landgericht des

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 2) Cal. Br. Arch. Des. 1 i B Nr. 6.  

  3) Vgl. Bege, Das letzte Landesgericht in der Herrschaft Homburg, Vat. Archiv 1835 III. –

 4) Die letzte feierliche Hägung zu Bodenwerder fand 1807 statt [Vogell]. Die Hägergerichte

    in der vorm. H. Homburg ZHVNds. 1846 S. 261.

 5) Akten dazu (1556 – 1579)  Cal. Br. Arch. Des. 1 i A Nr. 7, LHA. Wolfenbüttel Grenz-

    registratur X a 3.

 7) Erbregister A. Wickensen von 1580.

 8) Cal. Br. Arch. Des. 1 I G Nr. 2 b.

 9) LHA. Wolfenbüttel, Grenzregistratur X o. 2.

Amts Wickensen bekleiden helfen; dort zu Recht zu stehen aber nicht verpflichtet sein. In peinlichen Sachen konkurrierte allerdings die hehlener Gerichtsbarkeit mit der des Amtes, das zur Fällung und Vollstreckung von Todesurteilen Vertreter Stellte. Auch mussten die Eingesessenen zu Hehlen, Daspe und Frenke 1) sechs Tage im Jahr nach Wickensen Dienste tun.

Im nördlichsten Teil des Amtes gelangten die von Werder über B i s p e r o d e  und B e s s i n g e n  Ende des 16. Jahrhunderts wieder zu der Ausnahmestellung, die sie noch auf der Goe 1529   Eingenommen  hatten.  1573 war  ihnen das  Amt die  Gerichtsbarkeit noch nicht ge-ständig 2), musste sie Später aber in vollem Umfang anerkennen. Die Wolffs-Metternich übernahmen die Herrschaft 1683 als durchaus geschlossenen Gerichtsbezirk.

K e m n a d e  wird in allen Erbregistern des 16. Jahrhunderts zum Amt Wickensen gerechnet, nahm aber deswegen eine Ausnahmestellung ein, weil das Stift Corvey das dortige Kloster nebst dem ihm untertänigen Dorfe als altes Zubehör beanspruchte. Die Streitigkeiten darüber bildeten einen Teil der langwierigen Auseinandersetzungen zwischen Braunschweig und Corvey im 16. bis 18.  Jahrhundert. Das Kloster  war (1542)  durch den zur Reformation über-

1) In Frenke, das 1591 zum Amt Grohnde gezogen war, gelangten die v. Schulenburg später wieder zur Ausübung der Untergerichtsbarkeit. Cal. Br. Arch. Des. 1 i G 2 a. (Rezesse von1638 und 1714).

 2) LHA. Wolfenbüttel, Grenzregistratur X n Nr. 15 – 16.

getretenen Probst und späteren Obristen von Essleben okkupiert und dem fürstlichen Hause aufgetragen worden, doch 1584 auf ein beim Reichskammergericht erwirktes „Remissionsmandat“ wiederhergestellt worden 3). Gegen Abtretung des Klosters Gröningen verzichtete Braunschweig in einem Vergleich von 1593 auf den dagegen eingelegten Einspruch, behielt sich aber Halsgericht, Erbhuldigung und Landfolge im Dorfe vor, das damit die Stellung eines exemten Adelsgerichts gewann und auch als solches in den Wickenser Erbregistern geführt wird. Ein Abschied von 1619 4 bestimmte Ausübung der Untergerichtsbarkeit dahin, dass sie im Dorf und Kloster allein dem Konvent, auf der Heerstraße allein dem Amt; in Holz- und Feldmark beiden gemeinsam zustehen solle. Dieser Zustand erhielt sich dann bis zum Jahre 1777, in dem Corvey endgültig auf alle Ansprüche an Kemnade verzichtet hat 5).

 3) Gal. Br. Arch. Des. 1 h A Nr. 20.

 4) Cal. Br. Arch. Des. 1 i B Nr. 16.

 5) LHA. Wolfenbüttel, Grenzregistratur XI. – Domänen, Amt Fürstenberg Nr. 1.

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Eversteiner Anteil

3. Das Amt Ottenstein, gegen den Erbvertrag von 1495 zu Wolfenbüttel gezogen, erhielt seinen alten Bestand, gelangte aber, fast auf allen Seiten von Gebieten fremder Hoheit eingeschlossen, erst verhältnismäßig spät zu einer sicheren Umgrenzung. Ansprüche auf das pyrmontische Nersen und das grohndische Lüntorf hat es nicht aufrechterhalten können. Eine besondere  Betrachtung erfordern  die wolfenbütteler Ä m t e r    z w i s c h e n   S o l l i n g

u n d  W e s e r, deren Territorialbestand ziemlich erheblichen Schwankungen unterlag. Von vornherein ist mit drei alten „Häusern“ zu rechnen: Forst und Holzminden als alten eversteiner Besitzungen, und Fürstenberg. Die älteste, in gleichzeitiger Überlieferung erhaltene 1) Schnede des Hauses Forst von 1512 weist diesem Amte den ganzen Raum zwischen den Ämtern Polle, Homburg und Fürstenberg zu und verlegt die Grenze gegen Fürstenberg in den Rutengrund, der gegenüber Corvey auf die Weser stößt; danach verbleiben dem Amt Fürstenberg nur die Orte Boffzen, Meinbrexen und Derenthal. Die Stadt Holzminden ist nicht in dieser Schnede einbezogen 2). Gegen das Amt Homburg folgt sie dem noch im Wickenser Erbregister von 1580 bezeugten gewöhnlichen Grenzzuge (s. die Karte Nr. 2).

Dieser bedeutende Umfang des Hauses Forst erfuhr nun aber im Laufe des 16. Jahrhunderts nicht unbedeutende Einschränkungen durch das Entstehen eines besonderen A m t e s  H o l z m i n d e n mit dem Sitz auf der Domäne Allersheim, dem die Dörfer Altendorf, Merxhausen, Braak, Arholzen und das „Junkerndorf“ Deensen beigelegt wurden und das merkwürdigerweise bald als selbständiger Verwaltungsbezirk, bald als Zubehör des Amts Fürstenberg bezeichnet wird. Die Schnedebeschreibung  des Hauses Forst von 1561, die angeblich aus der poller Amtsregistratur stammend, im Neuen Vat. Archiv 1832 II S. 108ff. <1) Cal. Br. Arch. Des. 1 i B Nr. 3. Anschließend ein Verzeichnis der zugehörigen dorpe, besettet unde unbesettet: Reinleveshusen (Reileifzen) *de Wisselbarch. Dolme. Rule, *Berbom. *Rene. Hilboldinchusen. *de Ringelenhagen. *de Kropenhagen. Holenberge. Lutkenna (Lütgenade). Warpsen. De Forste. Golmebecke (Golmbach). Negenborne. *Osterssen. *de Duna. Aroldessen (Ahrholzen). Lodebeke (Lobach). *thor Loe. Beveren. Alrsen (Allersheim). Dat olde dorp (Altendorf). *Uppensen. Luchteringen. Merkshusen (Merxhausen).

 2) . . .de Wesser dal wente vor Holtsmynne unde de nedderen straten dal to Holtsmynne wente wedder up de Wesser usw. > veröffentlicht ist, erkennt die Ansprüche des Amts Fürstenberg bis zu den späteren forster Südgrenze in der Linie Hellegraben-Bevern-Beverbach-Ramsloh Linde zu *Osteressen an, ist aber wahrscheinlich eine Fälschung, da sonst alle und erhaltenen forster Schnedebeschreibungen aus dem 16. Jahrhundert 3) auf der alten Südgrenze des Amts im Rutengrund bestehen. So gibt es auch die Grenzbeschreibung des Amts Fürstenberg von 1581 zu, dass sie mit der nördlichen Grenzführung („Bevernlinie“) dem Hause Forst allein etzliche dorffere und örter der Stadt und dem Ampt Holzminden der herrschaft Eberstein entzöge und ein conusum chaos herbeiführe, sodass man gnannte territoria confusa undt deren zugehörige Hoch- und Gerechtigkeiten nicht bald finden und discerniren könne 4). Unmittelbar darauf, 1585, muss nach den aus diesem Jahre überlieferten Bruchstücken eines Allersheimer Erbregisters 5) dieses Amt schon als selbständiger Verwaltungsbezirk bestanden haben. Doch waren die Dinge noch durchaus in der Schwebe, denn 1601 wurde die Grenze gegen Deensen

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 3) Von 1529 und 1556. Cal. Br. Arch. Des. 1 i B Nr. 3. – Ein von Rustenbach ZHVNds. 1903.

596 angeführtes Forster Erbregister von 1585 war weder in Hannover noch in Wolfenbüttel

aufzufinden. Noch 1648 beanspruchte Forst die „Rutengrundlinie“. Grenzregistratur

Wolfenbüttel X r 1 a.

 4) Vat. Arch. 1832 II S. 112.  Auch Erbregister Amts Fürstenberg von 1584, LHA. Wolfenbüttel.

 5) LHA. Wolfenbüttel (nur 1 Blatt Folio).

nicht von Allersheim, sondern von Fürstenberg aus versteint 1). Das Erbregister des Amts Fürstenberg von 1622 2)umfasst acht Orte: Boffzen, Meinbrexen, Derenthal (das alte Amt Fürstenberg) und das Amt Holzminden-Allersheim mit Altendorf, Merxhausen, Braak, Ahrholzen und dem Junkerndorf Deensen. Die Landgerichte des Amts, vier im Jahr, wurden teils auf Fürstenberg, teils zu Holzminden „auf dem Burgplatz unterm Hagedorn“ abgehalten und eine Relation von 1637 3) betont, dass die Hoheit der Stadt Holzminden im Ober- und Untergericht dem Amt Fürstenberg zustehe und  von ihm durch einen besonderen Vogt ausgeübt werde. Erst 1649 wurde Die Selbständigkeit des Amts Holzminden-Allersheim im Raum zwischen „Beverlinie“ und „“Rutengrundlinie“ 4) endgültig bestätigt 5) und das Amt Fürstenberg auf seinen ursprünglichen Umfang (mit Boffzen, Meinbrexen und Derenthal) beschränkt. Im Nachteil blieb dabei das Amt Forst, das, bis dahin durch die Ansprüche Fürstenbergs, jetzt Holzmindens geschmälert, sein alten Umfang nicht wieder erreicht hat.

Nachdem wir uns somit Klarheit über die territorialen Verschiebungen der drei Ämter verschafft haben, werfen wir noch einen Blick auf ihren inneren Ausbau und ihre besondere Begrenzung.

4. Das Amt Forst – seit 1493 war der Amtssitz von der zerfallenen Burg Everstein auf den alten Hof am Westfluss des Burgberges verlegt worden -  hatte nach Ausweis  der Gover-

sammlung von 1575 6) sein  ehedem  nahe  der Burg  gehaltenes  L a n d g e r i c h t F o r s t. Es beanspruchte mit Wickensen zusammen die „landesfürstliche Hoch- und Obrigkeit“ über den bodenwerderschen Teil des Voglers bis  auf  das dritte Joch der großen Brücke vor der

  1) Ebenda, Grenzregistratur X r 1 a.

 2) Ebenda, Amt Holzminden Nr. 1.

 3) N.  Vat. Arch. 1832 a. a. O.

 4) In diesem Umfang ist das Amt auch auf Karte Nr. 2 für das Jahr 1580 eingetragen. Seine

    Nord- und Südgrenzen decken sich mit der jüngeren und älteren Schnede von Forst.

 5) LHA.  Wolfenbüttel, Grenzregistratur X r 1.

 6) Vat. Archiv 1837 S. 599.

Stadt und außerdem einen Anteil an dem durch die Schnede mit Wickensen geteilten K l o s t e r  A m e l u n g s b o r n. Im Amte Forst lagen auch die drei „Klosterdörfer“ Holenberg, Negenborn und Lobach, in denen die (im Jahre 1568 reformierte) Abtei die Dienste und Zehnten besaß, während die Hochgerichtsbarkeit dem Amte Forst zustand. Im Kloster selbst war sie noch im 18. Jahrhundert zwischen Forst und Wickensen geteilt. Dagegen besaß das Kloster in weitem Umfang die Hägergerichtsbarkeit 7) über seine zahlreichen Hagengüter und ferner einen immer noch ansehnlichen Komplex von Diensten, Rechten und Grundeigentum in den umliegenden Ämtern

 7) Ein Protokollbuch dazu St. A. Hannover, Cop. XI 60.  Enthält auch ein Güterverzeichnis von 1556. Vgl. im Übrigen R. Rustenbach, Gesch. des Klosters A., Jb. Des Gesch. Vereins f. Brschwg. 8/9. (grundlegend).

Das Dorf   B e v e r n,  das schon 1344 ein besonderes Gericht bildete 1), gehörte im 16. Jahr-

hundert der Familie gleichen Namens, die nach jahrelangem Rechtsstreit ihre Unabhängigkeit vom Amte Forst erfocht 2). Seit 1598 im Besitz von Statius von Münchhausen, dem Erbauer des prächtigen Renaissanceschlosses, wurde der Ort in ein selbständiges Amt verwandelt, das später zur Apanagierung der fürstlichen Seitenlinie Braunschweig-Bevern benutzt ist.

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5. Das Amt Holzminden-Allersheim umfasste bedeutende Teile des Sollingerwalds, dessen innere Täler erst im 16. Jahrhundert dem Verkehr und der Siedlung recht erschlossen wurde, und zwar unter heftigen Grenzstreitigkeiten mit den calenbergischen Nachbarämtern. Die Weiler Neuhaus, Mühlenberg, Schießhaus, Fohlenplacken, Hellenthal sind durchweg neuzeitlichen Ursprungs. Die eigentliche Wirksamkeit dieses Amtes gehört dem 17. und 18. Jahrhundert an, da seine Selbständigkeit von Fürstenberg erst 1649 anerkannt ward. Amtssitz war Allersheim, eine aus dem Dorfe Elersen durch „Legen“ der Bauern gewonnene Domäne.

Das Dorf D e e n s e n, als Zubehör der Ämter Fürstenberg und Allersheim aufgeführt, besaß in Wirklichkeit schon im 16. Jahrhundert unter der Familie v. Campe volle Gerichtsbarkeit 3).

 6. Für die Stadt Holzminden besitzt das Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel leider nur wenig verfassungsgeschichtliches Material. Ihre Stellung dem Landesherrn gegenüber ist anscheinend immer eine recht gedrückte gewesen. Man gestand dem Rat im 17. Jahrhundert 4) von Seiten des Amtes in peinlichen Sachen nur die Untersuchung in Beisein des Amtmanns zu und bestritt ihm die Verhängung und Vollstreckung von Bluturteilen auf das entschiedendste. Entsprechend dem alten Stadtrecht sollten die Geldbußen in Kriminalfällen zu  2/3 dem Amt, zu  1/3 der Stadt zufallen. In bürgerlichen Sachen war das alte Vogteigericht als „Stadtgericht“ zuständig und wurde jährlich einmal durch einen fürstlichen Beauftragten im Beisein von rat und Amt auf dem Rathaus gehalten; im Anklageverfahren bürgerlicher Rechtsfälle hatte der Rat, der bei jeder „Veränderung“ einen Diensteid vor dem Amtmann leisten musste, die erstinstanzliche Entscheidung. In der ausgedehnten Feldmark der Stadt wollte das Amt den Einwohnern außer dem ius pignorandi als einer rein formellen Rechtshandhabe keinerlei Hoheit zugestehen; ebenso wenig hatte das Landesfürstentum gegenüber den Bürgern auf die „Abzugsgelder“ in Höhe des dritten Pfennigs verzichtet. Aus allem geht hervor, dass die Amtsverfassung ziemlich tief in die Rechte der Stadt eingegriffen hatte. Beim  A m t   F ü r s t e n b e r g interessieren in erster Linie auswärtige Grenz- und Hoheitsfragen, da dies Amt die Basis für alle Auseinandersetzungen des braunschweig-lüneburgischen Gesamthauses mit dem Stift Corvey geworden ist. Unter den vielen Streitpunkten waren die wichtigsten einerseits die hoheitlichen Ansprüche, die die Welfen auf Grund der Edlen Vogtei über das Stift und der Schutzherrschaft über die Stadt Höxter erhoben, und anderseits die territorialen Ansprüche des  Stifts an der Weser, an  die sich der

1) Sud. II 73.

2) LHA. Wolfenbüttel, Grenzregistratur X s Nr. 3 und 4.

3) LHA. Wolfenbüttel, Grenzregistratur.

4) Nach dem Entwurf eines Amtsregisters von 1657, LHA. Wolfenbüttel, Domänen Amt Allersheim 1.

Grenzverlauf nicht lückenlos anlehnen ließ. Hierüber gab es endlose Auseinandersetzungen bei denen Kurial- und Etikettefragen einen unverhältnismäßig breiten Raum einnehmen.  

Ein 1558 (Okt. 27) zu Lüchtringen zwischen Braunschweig und Corvey geschlossener Vertrag bestimmte hinsichtlich  L ü c h t r i n g e n s 1), dass der Ort mit Gericht und Hoheit bei Corvey bleiben sollte, während die „Hoch- und Botmäßigkeit“ auf der Heerstraße im Dorf Braunschweig zugesprochen wurde. Die Einwohner mussten an das Amt Fürstenberg Dienste, aber keine Abgaben leisten. Dieser Vertrag, der das (schon 1416 corveysche 2)) Dorf Lüchtringen mit Ausnahme der Heerstraße  zu einer Enklave im wolfenbüttelschen Gebiete machte – im übrigen folgte die Hoheitsgrenze noch der Weser, - fand seine Ergänzung durch den schon S. 46 erwähnten Vergleich von 1593 (Aug. 3) 3), worin die Ausdehnung der corveyer Halsgerichtsbarkeit in Lüchtringen auf eine versteinte Grenze zehn Schuh außerhalb der Dorfzäune bestimmt wurde. Ebenso soll der Abt hinführo die Nieder- und hohe Obrigkeit, Unter- und Halsgerichte wie  den auch Jagt und alle andere nutzunge im B r ü c k f e l d  v o r  H ö x t e r unverhindert haben und gebrauchen, dem fürstlichen Hause aber das Geleit auf der Heerstraße bis auf das dritte Joch der höxterschen Brücke lassen. Über den W e s e r s t r o m  selbst wurde eine vorläufige Bestimmung getroffen. Braunschweig beanspruchte die Hoheit auf dem Flusse von Wehrden bis Boffzen – im sog. „Fürstenberger Pfuhl“ – in seiner ganzen Breite, von der Boffzer Landwehr bis zur „Krausen Eiche“ oberhalb Holzmindens zur Hälfte und dann wieder von Ufer zu Ufer. Hierüber kam es zu Auseinandersetzungen im Anschluss an die  Streitigkeiten, in die Corvey unter der Administration des bekannten münsterschen Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen wegen der welfischen Vogteirechte mit dem Hause Braunschweig verwickelt war 4). Die Herzöge, vor allem Rudolf August, nahmen sich dabei der gravamina civitatis Huxar in politicis et eclesiasticis 5) so tatkräftig an, dass es darüber wiederholt zu kriegerischen Zusammenstößen und 1671 sogar zur vorübergehenden Okkupation der Stadt Höxter durch braunschweigische Truppen kam. Bei der nach Christoph Bernhards Tode eingetretenen Sedisvakanz erreichten die welfischen Häuser in gemeinsamen Vorgehen durch langjährige, oft vertagte Verhandlungen den Abschluss eines Hoheitsrezesses (zu Holzminden vollzogen am 19./29. Okt. 1678, ratifiziert zu Salzdahlum 12. Sept. 1697 und Hannover 30. Juni 1702), der in seiner letzten Modifikation folgendes bestimmte: Das Stift gestand Braunschweig die criminalis iurisdicto auf der Heerstraße im Brückfelde und das Recht, dort Schanzen aufzuwerfen zu, bekam aber die niedere Jagd daselbst und eine Naturalentschädigung für die hohe Jagd, dazu die alleinige Hoheit über das Brückfeld und den anstoßenden Teil der Weser. Dafür sollte dann der „Fürstenberger Pfuhl“, den die alten Erbregister des Amts Fürstenberg als ein fürstlich Hegewasser bezeichnen, ungeteilt bei Braunschweig bleiben. Späterhin errang dann Corvey auch noch die Landeshoheit in der Lüchtringer Feldmark, die somit heute gleich dem Brückfelde ein Stück Westfalens rechts der Weser ist.

1) Cal. Br. Arch. Des. 1 h A Nr. 20.

2) Urkunde in Abschrift Cal. Br. Arch. Des. 1 h A Nr. 12b.

3) Ebenda.

4) Akten St. A. Hannover Cal. Br. Arch. Des.  1 h A;  LHA. Wolfenbüttel Grenzregistratur XI.

5) Gesammelt Cal. Br. Arch. Des. 1 h A Nr.  3 – 13.  

Nachdem schon durch Erbvertrag vom 12. Mai 1649 1) die Edle Vogtei über Corvey dem Fürstentum Calenberg, die Schutzgerechtigkeit über Höxter dem Fürstentum Wolfenbüttel beigelegt war, wurde diesen veralteten Gerechtsamen durch einen Hauptvertrag vom 20. (31.) Januar 1777 2) zu Braunschweig (Corvey) gegen Verzicht auf Kemnade ein Ende bereit. Nur ein adliges Gericht konnte sich im Amte Fürstenberg bilden, nämlich in seinem entlegen-

1) LHA. Wolfenbüttel, Grenzregistratur XI Nr. 2.

2) Ebenda. Domänen, Fürstenberg Nr. 1.

sten und südlichsten Grenzdorf M e i n b r e x e n, das, seit 1307 ein homburger Lehen derer von Hagen 3), später im Besitz der Münchhausen, Mansberg u. a. und eigene Untergerichtsbarkeit in Dorf und Feldmark genoss, während das Obergericht dem Amt Fürstenberg zustand 4).

Bei der  Einführung der  K r e i s e i t e i l u n g    i n   d e n     b r a u n s c h w e i g i s c h e n W e s e r l a n d e n  ist man insofern konservativer als in Hannover vorgegangen, als man durchweg alte Lagerungen zugrunde legte. So sind die Ämter Fürstenberg, Holzminden-Allerheim, forst, Ottenstein, Wickensen-Eschershausen nebst Ackenhäuser Holz, Brunkensen und Hohenbüchen im Kreis Holzminden vereinigt geblieben, während das Amt Greene zum Kreis Gandersheim gezogen wurde.

  3) Baring, Descriptio Salae, II Beilage 1 (Regesten Homburg Nr. 196a. 250a).

 4) LHA.  Wolfenbüttel, Grenzregistratur X r Nr. 10.

 5) UB. Ho. Hildesheim I, 200:  Beringerus comes (folgends de Poppenburch).

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Von Georg Schnath



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